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Der Anfang vom Ende der 10 % Grenze im Mietrecht

Bereits mit Urteil vom 18.11.2015 zu Aktenzeichen VIII ZR 266/14 hat der BGH entschieden, dass es bei Mieterhöhungen immer auf die tatsächliche und nicht mehr auf die vertraglich vereinbarte Wohnungsgröße anzukommen hat. Der BGH bekräftigte seine seinerzeit gefundene Rechtsansicht wiederholt mit aktuellem Urteil vom 13.05.2018 zu Aktenzeichen VIII ZR 220/17.

Vor den beiden vorgenannten Urteilen des BGH war in der Regel eine unter 10-prozentige Abweichung hinzunehmen, soweit es sich um eine wohnflächenbasierende Forderung aus dem Mietverhältnis handelte. Bei Überschreitung der 10 % Grenze wurde hingegen nach ständiger Rechtsprechung des BGH unwiderleglich vermutet, dass eine sogenannte Gebrauchsbeeinträchtigung im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB vorliege.

Oft wurden aus Vereinfachungsgründen falsche oder nur grob geschätzte Daten im Mietvertrag hinterlegt und verursachten erhebliche rechtliche Unklarheiten. Für viele Mietwohnungen gab es zudem keine ordnungsgemäßen Wohnflächenberechnungen und es wurde auf nicht sichere Quellen beispielsweise aus Verkaufsannoncen zurückgegriffen, ohne diese überprüft zu haben.

In dem vom BGH am 30.05.2018 entschiedenen Fall stritten sich Vermieter und Mieter einer Kölner Wohnung über die Abrechnung von Heizkosten innerhalb zweier Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2013 und 2014. Der Vermieter legte für die vorgenannten Betriebskostenabrechnungen die tatsächliche Wohnfläche in Höhe von 78,22 m² zu Grunde. Der Mieter vertrat jedoch die Rechtsansicht, dass die im Mietvertrag hinterlegte Fläche bei der jeweiligen Betriebskostenabrechnung anzusetzen sei. Diese Fläche war laut Mietvertrag lediglich mit 74,59 m², mithin knapp 4 m² geringer festgelegt.

Letztendlich stritten sich die Parteien über ein vom Mieter verlangtes Guthaben in Höhe von 42,46 €, welches der Mieter von der laufenden Mietzinszahlung einbehielt und somit gegen den vertraglich vereinbarten Mietzins aufrechnete. Dies wollte der Vermieter aber nicht auf sich sitzen lassen und klagte auf Zahlung des Betrages zuzüglich Verzugszinsen.

Wie man aus der Überschrift entnehmen kann, hat der Vermieter vor dem BGH Recht bekommen. Die BGH-Richter haben klar herausgearbeitet, dass es auf die tatsächliche und gerade nicht auf die vertraglich vereinbarte Wohnfläche ankommen kann. Letztendlich wurde darauf abgestellt, dass die subjektiven Vorstellungen der Vertragsparteien hinter den tatsächlichen Gegebenheiten zurücktreten müssen. Es müsse Wert darauf gelegt werden, dass ein objektiver Abrechnungsmaßstab vorherrsche, der für alle Parteien gleich gelte. Das Argument der Rechtsklarheit stehe im Vordergrund, so der BGH.

Nachvollziehbar gibt es aber an der hier besprochenen BGH-Entscheidung erhebliche Kritik, da es im freifinanzierten Wohnungsbau keine zwingenden Berechnungsvorschriften für Wohnflächen gibt. Solange es also keine für preisfreien Wohnungsbau einheitliche Flächenberechnung gibt, sind Streitigkeiten über wohnflächenbasierende Abrechnung Tür und Tor geöffnet. Bei kleinsten Abweichungen droht der Rechtsstreit.

Die sogenannte 10 % Erheblichkeitsschwelle gilt daher nur noch für den Fall einer Wohnflächenabweichung und einem darauf basierenden Mietminderungsbegehren des Mieters. Hier allein hat die Erheblichkeitsschwelle noch Gültigkeit. Bei Mieterhöhungen gemäß § 558 BGB sowie Nebenkostenabrechnungen gilt diese aber nicht mehr.