Die Eigenbedarfskündigung
Der Art. 14 Abs. 1 Satz 1 des GG schützt das Eigentum. Dazu gehört also auch die Freiheit, den Eigentumsgegenstand, also die eigenen Wohnung, selbst nutzen zu dürfen. In Art. 14 Abs. 2 GG steht jedoch geschrieben, dass Eigentum auch verpflichtet. Gemeint ist damit die sogenannte Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Insoweit muss ein Vermieter bei einer beabsichtigten Eigenbedarfskündigung sein Selbstnutzungsinteresse anschaulich darlegen und gegebenenfalls auch im Rechtsstreit beweisen, da mit dem Eigentumsrecht kollidierend, auch der vermietete Wohnraum grundrechtlich geschützt ist.
Ein recht aktuelles Urteil des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 29.12.2016 mit Erscheinungsdatum vom 02.11.2017 zu Aktenzeichen 23 C 258/15 möchte ich zum Anlass nehmen, das Thema Eigenbedarfskündigung und deren Grenzen ein wenig zu beleuchten. In dem Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg hat dieses darüber befunden, wann eine Eigenbedarfskündigung rechtsmissbräuchlich ist. Der Kläger im zu entscheidenden Fall ist Eigentümer und zugleich auch Verwalter des Hauses, in welchem die streitgegenständliche Wohnung lag und welche er wegen Eigenbedarfs kündigte. Vom Vermieter wurden auch weitere Objekte in Berlin verwaltet. Die Verwaltungstätigkeit des nicht in Berlin lebenden Verwalters erfordere eine Anwesenheit vor Ort von ein- bis zwei Tage pro Woche. Vor der maßgeblichen Kündigung wurden die Verwaltungsaufenthalte in Berlin mit der Anmietung eines Hotelzimmers bewerkstelligt. Trotz Kündigung zogen aber die Beklagten nicht aus.
Die sich anschließende Räumungsklage hatte letztendlich keinen Erfolg. Nach Auffassung des Amtsgerichts sei zwar anerkannt und durch den BGH festgestellt, dass auch eine teilgewerbliche Nutzung für eine Eigenbedarfskündigung ausreiche. Jedoch müsse immer im Einzelfall zwischen den gegensätzlichen Interessen abgewogen werden. Das Amtsgericht hob daher die Stellung der Wohnung als Mittelpunkt der privaten Existenz hervor und argumentierte, dass die angegebene und im amtsgerichtlichen Prozess vorgetragene Nutzungszeit hier so kurz sei, dass sie wie bisher auch durch andere Unterkünfte, wie Hotel oder Pension angemessen abgedeckt werden könne. Dies gilt insbesondere auch, wenn eine sogenannte nur sporadische Nutzung auch über einen längeren Zeitraum geschehe. Der Vermieter könne auch nicht von einer automatischen Vorrangigkeit ausgehen, wenn der Wunsch vorherrsche, das Eigentum selbst und insbesondere auch nur gelegentlich zu nutzen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Voraussetzungen der Eigenbedarfskündigung sind in § 573 Abs. 2 Nummer 2 BGB geregelt. Danach besteht ein berechtigtes Interesse für eine ordentliche Kündigung des Vermieters, wenn der Vermieter selbst die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Insoweit stellt sich zunächst die Frage, wer neben dem Vermieter zum sogenannten privilegierten Personenkreis gehört. Enge und somit priviligierte Familienangehörige sind die eigenen Eltern, Kinder und Geschwister als auch Nichten/Neffen. Jedoch bei weiter entfernten Verwandten ist bereits im Kündigungsschreiben als Begründung eine moralische Pflicht zur Unterbringung oder sonstigen Fürsorge zu erläutern und gegebenfalls im Prozess zu beweisen. Ebenfalls privilegierte Personen sind Haushaltsangehörige. Von dieser Begrifflichkeit sind neben den Familienangehörigen wie der nichteheliche Lebenspartner sowie Hilfspersonen beispielsweise Haushalshilfen sowie Au Pairs und Pflegepersonen umfasst.
Erwähnenswert ist, dass eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ausgeschlossen ist, wenn die Räume ausschließlich gewerblich genutzt werden sollen. Der hier behandelte Kündigungsgrund gilt daher grundsätzlich nur, wenn die Räume überwiegend zu privaten Wohnzwecken – eine teilgewerbliche Nutzung ist hingegen anerkannt – benötigt werden.
Beachtlich ist in jedem Fall für eine Eigenbedarfskündigung, dass das berechtigte Interesse des Vermieters im Kündigungsschreiben angegeben wird. Es soll dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit verschaffen.Diejenige Person, welche die Eigenbedarfskündigung auslöst, sollte in jedem Fall mit Namen benannt werden. Der Mieter soll in die Lage versetzt werden, zu prüfen, ob die benannte Person zum sogenannten privilegierten Personenkreis gehört. Des Weiteren muss auch das sogenannte Interesse dargelegt werden, warum die privilegierte Person die Wohnung erlangen soll. Pauschale Angaben verbieten sich. Es werden von der Rechtsprechung – je nach Einzelfall – stellenweise sogar Ausführungen zur Anzahl der Zimmer als auch zu den bisherigen Wohnverhältnissen verlangt. Hat der Vermieter mehrere Wohnungen, muss er zudem begründen, warum gerade die maßgebliche Wohnung zur Eigenbedarfskündigung ausgewählt wurde und warum eventuell vorhandene Alternativwohnungen nicht in Betracht kommen.
Darüber hinaus gilt für den Vermieter die sogenannte Anbietepflicht, wenn sich in demselben Gebäude oder auch in derselben Wohnlage eine freie Wohnung befindet. Der Mieter ist auch über sein Widerspruchsrecht im Kündigungsschreiben aufzuklären. Beachtlich sind bei der Eigenbedarfskündigung die gesetzlichen Kündigungsfristen des § 573 c BGB. Problematisch kann die Eigenbedarfskündigung werden, wenn der Eigenbedarf nicht nach Abschluss des Mietvertrages aufgetreten ist, sondern bereits vorher vorlag und der Mieter hierüber nicht aufgeklärt wurde.
Wenn ein unstreitig bestehender Eigenbedarf jedoch noch vor Ablauf der Kündigungsfrist entfällt, beispielsweise von der privilegierten Person wird eine andere Wohnung bezogen, verliert die Eigenbedarfskündigung nachträglich ihre Wirksamkeit. Der Vermieter ist dann verpflichtet, dem Mieter den Wegfall des Eigenbedarfs mitzuteilen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses aktiv anzubieten. Hingegen der Wegfall des Eigenbedarfs nach Ablauf der Kündigungsfrist berührt die Wirksamkeit der Kündigung nicht. Sofern sich herausstellen sollte, dass der Kündigungsgrund des Eigenbedarfs vorgetäuscht wurde, macht sich der Vermieter zwangsläufig schadensersatzpflichtig.